Die Wahrnehmung des Islams in Deutschland by Kai Hafez Sabrina Schmidt
Autor:Kai Hafez, Sabrina Schmidt
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Verlag Bertelsmann Stiftung
veröffentlicht: 2015-11-15T00:00:00+00:00
Von zentraler Bedeutung ist die Frage, warum politische Einstellungen zwar einen erkennbaren leichten, aber keinen durchschlagenden Effekt auf das Islambild besitzen, denn trotz der von rechts bis Mitte-links zunehmenden Akzeptanz stimmen immerhin noch über 50 % der Befragten in der politischen Mitte und über 45 % im Mitte-links-Spektrum der These zu, der Islam passe nicht in die westliche Welt.
Auch die politische Mitte beziehungsweise die linksliberale oder links-alternative Szene sind jedenfalls keineswegs gegen islamfeindliche Anschauungen gefeit. Für alle etablierten politischen Ideologien jenseits des Rechtspopulismus und -extremismus gilt zwar, dass sie sich programmatisch gegen jede Form des Rassismus wenden, sich zur kulturellen Diversität oder gar zur 'multikulturellen Gesellschaft' bekennen. Allerdings verstehen die Parteien den Islam nicht ausdrücklich als Teil der westlichen Kultur. Daher ist es nicht verwunderlich, dass es im gesamten politischen Meinungsspektrum möglich ist, die soziale Tabuisierung des Rassismus zu umgehen und ein negatives Islambild zu pflegen. Vor allem ein Islambild, das ohne pauschale Negativurteile (etwa 'gefährlich' oder 'terroristisch') auskommt, den Islam allerdings als nicht kompatibel mit westlichen Werten und Lebensstilen betrachtet, ist erkennbar in allen politischen Richtungen salonfähig.
'Hatten Theoretiker wie
der deutsche Staatsrechtler Carl Schmitt
am Ende doch recht, wenn sie
glaubten, ein jedes Volk bräuchte
ein äußeres Feindbild?'
Hatten Theoretiker wie der deutsche Staatsrechtler Carl Schmitt am Ende doch recht, wenn sie glaubten, ein jedes Volk bräuchte ein äußeres Feindbild (Schmitt 2002 [1932])? Müssen wir mit Jean-Christophe Rufin argumentieren, dass die Gesellschaft in demokratischen Ländern geradezu als Tribut für ihre innere Freiheit einen äußeren Feind benötigt, um den gemeinschaftlichen Zusammenhalt zu stärken, und dass der Feind im Äußeren wie im Inneren zeitgenössisch der Muslim ist (Rufin 1994)? Gibt es also am Ende gar keinen Ausweg aus Religions- und anderen Stereotypen des 'Fremden', keine dauerhafte und stabile kulturelle Bewegung hin zu einer liberalen Gesellschaft? Zu dieser Annahme gibt es insofern keinen Grund, als politische Kulturen grundsätzlich wandlungsfähig und somit selektive Islamwahrnehmungen ebenso wie die Exklusion des Islams aus westlichen Wertebekenntnissen und politischen Einstellungen natürlich korrigierbar sind. Zudem besteht keine zwingende Gefahr, dass sich das Meinungsklima hin zu rechtspopulistischen oder explizit rassistischen Positionen entwickelt. Zwar teilt eine Mehrheit der deutschen Bevölkerung, wie bereits gezeigt, mit rechtspopulistischen Parteien bestimmte Grundfacetten einer negativen Islamwahrnehmung (vgl. a. Hafez 2013a, S. 135 ff.). Aber die weitgehende Isolation des Islambildes von politischen Einstellungen hat durchaus auch ihre Vorzüge: Es verbleibt nämlich so in der Mitte der Gesellschaft ohne Intention einer konkreten politischen Agenda. Die Unterstützungsraten für eine islamfeindliche Politik, wie sie bei rechtsradikalen Parteien betrieben wird – Verbot von Moscheebauten, dem muslimischen Kopftuch, Einreiseverbote für Muslime und so weiter –, liegen in der Regel unterhalb der Marge von 50 % desjenigen Bevölkerungsteils, der ein negatives Islambild besitzt. Fazit: Das Islambild der Bevölkerung wird weder von den politischen Idealen und Ideologien der Mitte noch von denen der rechten Szene maßgeblich beeinflusst, sondern bleibt ein weitgehend isolierter Tatbestand der politischen Kultur.
'Es besteht keine
zwingende Gefahr, dass
sich das Meinungsklima hin zu
rechtspopulistischen
oder explizit rassistischen
Positionen entwickelt.'
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